Mein Framework zur Positionierung von B2B Softwareunternehmen
Positionierung ist ein schwammiger Begriff. Jeder versteht etwas anderes darunter. Und oft wird Positionierung als Nice-to-have gesehen. Meine Erfahrung aus 60+ Positionierungsprojekten mit B2B SaaS Unternehmen ist eine andere: Positionierung ist ein Must-have. Sie ist das Fundament für Marketing und Vertrieb und direkt umsatzrelevant. Hier möchte ich dir ein einfaches Framework an die Hand geben, mit dem du deine Positionierung nicht nur konzeptionell erarbeitet, sondern in die Praxis bringst. Denn Positionierung wirkt nur, wenn sie in deinem Messaging (auf deine Website, auf LinkedIn und in dein Sales-Deck) lebendig wird.
Inhaltsverzeichnis
Warum ist Positionierung ein Must-have?
  • Abgrenzung im Wettbewerb Die Märkte sind voll. Die Hürden eine Software an den Markt zu bringen sind gewaltig gesunken (Low Code, Vibe Coding etc.). Bei Plattformen wie OMR Reviews findest du in jeder Software-Kategorie Dutzende, wenn nicht Hunderte Wettbewerber mit sehr ähnlichen Wertversprechen. Wer da nicht mit klaren Botschaften für Orientierung bei Kunden sorgt, geht unter (Wer ist dein idealer Kunde? Warum bist du eine bessere Wahl als Wettbewerber? etc.)
  • Orientierung für Interessenten, die selbstständig recherchieren Die Art und Weise wie Menschen Software einkaufen hat sich geändert. Früher gab es weniger Anbieter und Interessenten fragten früh nach einer Demo, um sich ein Bild von einem Anbieter zu machen. Heute ist die Kaufentscheidung oft schon gefallen, bevor jemand mit dir Kontakt aufgenommen hat. Denn gerade jüngere Zielgruppen recherchieren online und erwarten dort alle relevanten Informationen. Positionierung sorgt bei diesen Interessenten für Orientierung.
  • Ohne klare Botschaften schlechte Conversion Rates Es ist eine Binsenweisheit im Marketing: Je spitzer du deine Zielgruppe ansprichst, desto wirksamer sind deine Botschaften. Und du kannst deine Kunden nur passgenau ansprechen, wenn du definierst, wer deine idealen Kunden sind – mit ihren Use Cases, Pain Points und Alternativen, die sie in Betracht ziehen.
  • Lead ist nicht gleich Lead Klar, auch mit generischen Botschaften generierst du Leads und erhältst du Anfragen. Aber oft sind das keine idealen Kunden. Die Lead-Qualität ist schlecht. Solche Anfragen machen häufig viel Arbeit, führen aber nicht zu Neukunden und Umsatz. Positionierung sorgt dafür, dass passenden Interessenten anfragen, die Sales-Zyklen kurz bleiben und viele Interessenten auch zu Kunden werden.
Wie entwickelst du deine Positionierung?
Um deine Positionierung auszuarbeiten, ist keine Rieseninvestition nötig. Du brauchst keine langatmigen, teuren Workshops und 300-Seiten Strategiepapiere, die niemand nutzt. Stattdessen solltest du mutige, aber informierte Entscheidungen treffen und deine Positionierung schnell in die Umsetzung bringen. Denn nur so kann sie für deine Kunden wirksam werden und du findest heraus, ob sie funktioniert – oder ob du nachschärfen musst. Ich habe mit 60+ Kunden in meinen 2-Wochen Clarity Sprints mit folgendem Prozess gute Erfahrungen gemacht.
1. Analyse und Recherche
Baue auf dem auf, was du über deine Kunden und deinen Markt weißt. Ich empfehle folgende Methoden:
  • Analyse der Bestandskunden Von welcher Art Kunden hättest du gerne mehr? Auf welche Art Kunden kannst du verzichten? Was zeichnet wertvolle Kunden aus? Analysiere deine Kundenliste und finde Muster.
  • Kundeninterviews Führe strukturierte Interviews mit 5-10 deiner besten Kunden. Mit wem haben sie dich verglichen? Warum haben sie sich für dich entschieden? Wie nutzen sie deine Software? Wie reden sie über deine Software? Wie messen sie den Erfolg? Wie sah ihre Welt vorher ohne deine Software aus? Wie mit deiner Software?
  • Kundenkommunikation Analysiere Anfragen per E-Mail, Notizen im CRM, LinkedIn-Nachrichten.
  • Reviews Analysiere die Reviews deiner Kunden auf Plattformen wie OMR Reviews oder Capterra.
  • Wettbewerb Schau dir die Website, die Social-Media-Kanäle und die Reviews deiner Wettbewerber an. Finde heraus, wer ihre idealen Kunden und ihre Werteversprechen sind. Wovon grenzen sie sich ab? Welche Use Cases, Features und Themen stellen sie in den Mittelpunkt?
2. Entscheide dich für einen idealen Kunden
Die Profile von Idealkunden sind entweder zu detailliert (riesige Miro Boards mit firmografischen Daten) oder zu wenig detailliert (“Wir verkaufen an den Mittelstand”). Ich empfehle bei der Definition deines idealen Kunden einen Mittelweg. Basierend auf dem sehr lesenswerten Blogartikel How to identify your ideal customer profile (ICP) von Produktmarketing-Guru Lenny Rachitsky. Nutze folgende Elemente, um deinen idealen Kunden zu beschreiben und auf deiner Website und in deiner Kommunikation zu “spiegeln”. Mit “spiegeln” meine ich, dass du eine prägnante Beschreibung benutzt, in der sich dein idealer Kunde wiedererkennt. So entsteht ein Gefühl von “Das ist ja für mich gemacht!”.
Elemente für die Beschreibung deines idealen Kunden
Unternehmenstyp
Verkaufst du an Agenturen, Kleinunternehmen, Solopreneure, Startups, Scaleups, Konzerne, Dienstleistungsunternehmen, Hersteller, E-Commerce, Beratungen, Software-Unternehmen, Franchise-Unternehmen etc.?
Persona
Wer ist der Champion, der Treiber im Kaufprozess? Der CEO, ein Anwender oder wie so oft der Abteilungsleiter / Head of …
Drei weitere Merkmale
In welchen Merkmalen erkennen sich ideale Kunden wider? 1. Unternehmensgröße: Etwa nach Anzahl der Mitarbeitenden oder Umsatzvolumen. 2. Arbeitsweise und Unternehmenskultur: Etwa ob das Unternehmen design-getrieben, datenorientiert oder operativ stark geprägt ist. 3. Verwendete Technologien: Vorhandene Tools, Plattformen oder Systeme, mit denen dein Produkt kompatibel sein sollte (z. B. Salesforce, GitHub, AWS). 4. Geschäftsmodell: z. B. B2B-SaaS, E-Commerce, Agentur, Marktplatz, Plattform. 5. Region oder Markt: Geografische oder kulturelle Faktoren, z. B. Fokus auf Nordamerika, DACH oder Lateinamerika. 6. Community oder Ökosystem: Gruppen, Branchen oder Netzwerke, in denen sich die Zielkunden aktiv bewegen (z. B. Open-Source-Community, Start-up-Hubs).
Neben der Beschreibung, die du fürs Messaging verwenden kannst, ist es wichtig den Kontext dieses idealen Kunden zu definieren:
Use Case
Welche Aufgabe will der ideale Kunde erledigen? Welches Ergebnis will er erreichen? Wie misst er den Erfolg?
Aktuelle Lösung
Welche aktuelle Lösung er dazu?
Probleme
Welche Probleme oder Limitierungen gibt es mit der aktuellen Lösung?
Struggling Moment
Wie wirken sich diese Probleme aus? Gibt es eine typische Situation, in der sich die Probleme offenbaren?
Wichtig: Weniger ist mehr. Versuche alle Fragen möglichst prägnant und so kurz wie möglich zu beantworten, ohne beliebig zu werden.
3. Dein Wertversprechen
Hast du deinen idealen Kunden beschreiben und seinen aktuellen Kontext definiert, kannst du deine Wertversprechen herausarbeiten. Beachte: Wert entsteht immer im Verhältnis zur aktuellen Situation oder im Vergleich zu Wettbewerbern.
Wertversprechen: Wie kannst du die aktuelle Situation deiner idealen Kunden verbessern?
In ihrer aktuellen Situation haben Kunden bei ihrer Aufgabe (dem Use Case) mit Problemen und Limitierungen zu kämpfen. Hätte dein Kunde deine Lösung im Einsatz, sähe seine Welt aber anders aus. Seine Probleme wäre gelöst und deine Software bringt neue Möglichkeiten. Aus dieser Transformation entsteht der Wert deiner Lösung.
Use Case
Beschreibe hier Schritt für Schritt, wie Kunden aktuell ihre Aufgabe erledigen.
Aktuelle Lösung
Welche Lösungen setzen sie für jeden Schritt ein (z. B. Excel, einen Wettbewerber, eine Notlösung, keine Lösung, manuelle Arbeit).
Probleme / Limitierungen
Welche Probleme und Limitierungen ergeben sich für jeden Teilschritt?
Capabilities
Was können deine Kunden NEUES tun? Was können deine Kunden jetzt BESSER? Wovon können deine Kunden MEHR machen? Was müssen deine Kunden WENIGER machen? Was müssen deine Kunden NICHT MEHR machen?
Damit aus den Capabilities schlagkräftige Werteversprechen werden, muss du sie mit den Features deiner Software und den resultierenden Benefits verbinden.
Aktuelle Lösung
Neue Möglichkeit deines Kunden.
Features
Basierend auf welchen Features entstehen diese Möglichkeiten?
Benefits
Welche Benefits resultieren daraus für das Business deines Kunden?
Aus diesen Bausteinen kannst du dann die Werteversprechen für deine Software formulieren. So machst du deinen Kunden ihre neue Welt greifbar. Hast du eine Liste mit Werteversprechen erarbeitet, empefehle ich dir diese zu priorisieren. Welches ist das wichtigste? Welches Werteversprechen würdest du zum Beispiel ganz oben auf der Website platzieren? Für die Priorisierung solltest du folgende Kriterien im Blick haben:
  • Relevanz für den wichtigsten Pain Point Welche Value Proposition adressiert das dringendste Problem deiner Zielgruppe?
  • Messbarer, konkreter Nutzen Macht die Value Proposition klar, was der Kunde gewinnt — in Zahlen oder klaren Ergebnissen?
  • Differenzierung zum Wettbewerb Hebt sich diese Value Proposition klar von anderen Lösungen ab?
  • Verständlichkeit und Klarheit Kann jemand außerhalb deines Unternehmens die Botschaft in 5 Sekunden verstehen?
  • Emotionalität Trifft sie einen Nerv oder ein Ziel, das über reine Effizienz hinausgeht?
  • Belegbarkeit Kannst du die Value Proposition glaubwürdig untermauern?
4. Deine Unterscheidungsmerkmale zum Wettbewerb
Mindestens ebenso wichtig wie deine Werteversprechen sind die Unterscheidungsmerkmale zum Wettbewerb. Damit beantwortest du die Frage: Warum deine Lösung? Was unterscheidet dich von Wettbewerbern? Diese Frage hast du bestimmt schon mal in Verkaufsgesprächen gehört. Basierend auf deiner Wettbewerbsrecherche solltest du im ersten Schritt herausarbeiten, warum andere Lösungen für deine idealen Kunden nicht ideal sind. Erstelle eine Liste nach folgendem Muster:
Wettbewerber
Mit welchen Alternativen vergleichen dich deine Kunden?
Probleme / Limitierungen
Warum sind die Wettbewerber nicht die beste Lösung für deine Idealen Kunden?
Unterscheidungs merkmale
Warum treten die Probleme bei dir nicht auf? Was machst du besser?
Bitte denke bei Problemen nicht nur an fehlende Funktionalitäten. Folgende Kriterien sind für Kunden wichtig und können deswegen auch Unterscheidungsmerkmale sein:
  • Funktionsumfang
  • Datensicherheit
  • Anpassbarkeit
  • Skalierbarkeit
  • Integrationsfähigkeit
  • Preis/Preismodell
  • User Interface/Benutzerfreundlichkeit
  • Enterprise Readyness
  • Referenzen
  • Supportqualität
  • Innovationskraft / Roadmap
  • Compliance / Regulierung
  • Vertrauen / Werte
  • Community / Ökosystem
5. Dein eigener Blick auf den Markt
Erfolgreiche Lösungen entstehen oft, weil Gründer:innen eine Lücke im Markt sehen oder eine eigene, neue Herangehensweise mitbringen, die in einzigartigen Produkten mündet. Oft orientiert sich daran die gesmate Produkt-Roadmap und natürlich ist dieser eigene Blick auf den Markt auch entscheidend für die Positionierung. Versuche deshalb prägnant die Frage zu beantworten: Welche zentralen Erkenntnisse über den Markt liegen dem Produkt zugrunde? Hier einige Beispiele: "ChatGPT, Perplexity und AI Overviews sind die neue Startseite des Internets" "Erfolgreiche Teams in Agenturen arbeiten mit einem gemeinsamen Projektplan, der auch für Kunden zugänglich ist" "Wissensvermittlung funktioniert nur, wenn Lernen leicht ist und Spaß macht"
6. Bringe alles in einem Positionierungsstatement zusammen
Bringe einmal alle Elemente, die du entwickelt hast in einem Positionierungsstatement zusammen: Wir sind ein [Software-Kategorie] für [ideale Kunden], die [Aufgabe] erledigen wollen und [aktuelle Lösung] nutzen, die aber zu [Limitierung] führt. Mit unserer Lösung kannst du jetzt [Capability] auf Basis von [Features] was zu [Benefit] führt. Anderes als andere Lösungen in [Software-Kategorie] bieten wir [Capability] auf Basis von [Features] was zu [Benefit] führt. In diesem Positionierungsstatement bringst du schon mal die wichtigsten Kernbotschaften für dein Marketing sinnvoll zusammen. Ich empfehle, die hier im Artikel beschriebene Übung gemeinsam mit der Geschäftsführung und den Verantwortlichen aus Sales und Marketing durchzuführen. So werden alle Perspektiven gehört, alle Personen mitgenommen und die Chance steigt, dass die Botschaften konsistent genutzt werden und so auch bei potenziellen Kunden ankommen.
Über den Autor: Thomas Kemp
Ich bin Thomas, lebe und arbeite in Köln und habe 23+ Jahre Erfahrung als Kommunikations-Stratege, Copywriter und Webkonzpeter. Aufgrund meines Backgrounds in der Technischen Kommunikation / Informatik fokussiere hab ich mich von jeher auf erklräungsbedürftige, komplexe B2B-Unternehmen fokussiert. Seit einigen Jahren hab ich meine Erfahrungen im Clarity Sprint gebündelt und schon 60+ B2B Software- und Tech-Unternehmen unterstützt, ihre Positionierung zu schärfen und auf ihrer Website lebendig zu machen. Ich poste täglich auf LinkedIn über meine Arbeit.